[...] Wenn man sich auch nur kurz im Raum umschaut, so fällt es im ersten Moment schwer, die ausgestellten Objekte mit den populär tradierten Vorstellungen von Romantik in Einklang zu bringen: Glas, Stahl, Beton - nicht gerade das, was man sich vorstellt beim Gedanken an Romantik. Den Künstlern geht es nicht um ein Wiederaufleben des romantischen Geistes, sondern um eine Weiterentwicklung der Begrifflichkeiten der romantischen Kunstauffassung. Demnach scheint die Strategie also darin zu bestehen, diese Begrifflichkeiten spielerisch auszudeuten. Kreiste die romantische Kunstauffassung um Vorstellungen von der Auflösung der idealen Schönheit, dem Überschreiten der Grenze zwischen dem Natürlichen und dem Übernatürlichen und der Negation des Individuellen, so greifen die Künstler Aspekte dieser Art auf und stellen durch abstrakte Formprinzipien und Ordnungsstrukturen die unmittelbare Wirklichkeit in Frage.

Ralf Michna, zeigt in dieser Ausstellung die Arbeiten TIDE und GENIUSBANK. Dem übergeordneten Prinzip seiner künstlerischen Arbeit entsprechend, liefern die Titel Hinweise auf die realen Orte, auf welche die Arbeiten Bezug nehmen. Daß es dem Künstler dabei nicht um eine naturgetreue Wiedergabe dieser Orte geht, ist angesichts der verwendeten Materialien (Stahl, Beton, Glas) nicht weiter verwunderlich: Der konkrete Ort, der seine Originalität eingebüßt hat, ist nur mehr in der Vorstellung und Empfindung des Künstlers vorhanden. Die Materialien, aus denen die Wandobjekte entstehen, greifen die Strukturen und Elemente dieser Landschaften auf und geben sie in abstrahierter Form wieder. Der Betrachter muß gar nicht persönlich an den genannten Orten gewesen sein, um zu verstehen, wie diese Orte sind. Zu den Landschaften gehört immer eine Zeichnung, manchmal auch noch eine Fotografie. Die (Konstruktions-) Zeichnungen und Fotos flankieren die Bilder und verleihen ihnen, zumindest optisch, einen sakralen Charakter. Vergleichbar mit einem Diptychon oder Triptychon sind die einzelnen Teile zwar inhaltlich aufeinander bezogen, sollen aber gleichzeitig als eigenständige Arbeit aufgefaßt werden.
Im Falle von GENIUSBANK werden den eigentlichen Objekt Blaupausen zur Seite gestellt, die sowohl den rationalen Akt der Konstruktion von ,Landschaft‘ als auch die Kraft der Vorstellung des Künstlers konkretisieren. Dabei spielt das Thema der Gedankenähnlichkeiten eine nicht unwesentliche Rolle: Verspürt der Betrachter beim ersten Blick vielleicht eine gewisse Kühle und Distanz, so kann er beim zweiten Blick schon fast ein Deja-Vu erleben, zumal die scheinbare Kühle allenfalls auf die verwendeten Materialien und die technisch-konstruktiven Zeichnungen zurückzuführen ist. Der eigentliche Inhalt der Bilder jedenfalls vermittelt eine vielmehr poetische Vorstellung und persönliche Nähe. Für den Betrachter stellt sich am Ende fast zwangsläufig die Frage: Sind diese Erinnerungen nicht auch irgendwie die meinen?