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Erläuterungstext zum Wettbewerbsbeitrag zur
Fassadengestaltung Neuendorfer Straße 10 - 24 | Potsdam
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Einleitung
Ausgangspunkt unserer Planungen war die Überlegung, daß
man die Fassade dieses markanten Plattenbaus nicht isoliert als
eine überdimensionierte „Malleinwand“ ohne weiterführende
architektonische Fragestellungen betrachten kann, wenn die künstlerische
Lösung des Fassadenproblems mehr als ein bloßes kosmetisches
Scheinresultat sein soll. Mithin waren die architektonische Struktur,
die städtebauliche Situation sowie das soziale Umfeld gleichermaßen
zu berücksichtigen.
Analyse
Das vierteilige, durch drei Torbauten miteinander verbundene Gebäude
liegt als massiver Querriegel parallel zur Neuendorfer Straße.
Durch diese exponierte Lage schirmt es die dahinter liegenden Bauwerke
des Quartiers zur verkehrsreichen Neuendorfer Straße komplett
ab. Es übt also eine städtebaulich sehr wichtige Funktion
aus, ohne dieser allerdings in ihrer gegenwärtigen unansehnlichen
äußeren Erscheinung auch nur annähernd zu entsprechen.
Die „Nichtfarbe“ der Betonplattenfassade sowie die das
Gebäude teilweise verdeckende Baumbepflanzung nehmen das Haus
im Sinne einer positiven Wahrnehmung insgesamt zurück. Es wird
optisch reduziert auf seine schiere Masse, die den Eindruck hervorruft,
als solle die mangelnde Attraktivität der Erscheinung notdürftig
durch die Baumbepflanzung kaschiert bzw. verborgen werden. Unsere
Fragestellung lautet: Handelt es sich also um ein Bauwerk ohne positive
Identität? Ist es als Plattenbau nur pure Reduktion auf Funktionalität
ohne in eine nennenswerte Tradition eingebunden zu sein? Können
die Bewohner sowie Nachbarn in der Wohnanlage mehr sehen als eine
bloße Behausung? Bietet das Gebäude überhaupt die
Möglichkeit einer Identifikation mit dem Haus als einem Zuhause
und einem positiven Wohnumfeld?
Identität - Tradition - Identifikation
Diese drei Begriffe umschreiben das Wesen eines Bauwerkes: Identität
meint die subjektive, ihm innewohnende Qualität, also das,
was es unverwechselbar ausmacht. Bei diesem Haus sind u.a. die Laubengänge
vor den Wohnungen, Details der Treppenhäuser sowie der Fassadenschmuck
der Treppenhauser von hoher Qualität, die zum Charakter des
Hauses einen wichtigen Beitrag leisten.
Das Gebäude dieses Plattenbautyps steht keinesfalls ohne Zusammenhang
mit einem Traditionskontext; sondern geht entwicklungsgeschichtlich
auf städtebauliche Siedlungskonzepte zurück, die in den
20er Jahren des letzten Jahrhunderts ausgearbeitet und erprobt wurden.
Ein Beispiel in Potsdam ist die Siedlung „Vaterland“
Am Schragen. Eine bauliche Koinzidenz läßt sich u.a.
in der Torbogensituation feststellen, die im Plattenbau eine Entsprechung
gefunden hat.
Macht die subjektive Qualität die Identität des Hauses
aus, so vervollständigt der objektive Blick von außen
auf das Gebäude die eigentliche Wesenheit des Hauses. Er bedingt
und ermöglicht das Erleben der Qualität des Baus und schafft
das Potenzial zur Identifikation mit dem Haus. Bewohner, die um
die Qualitäten und Stärken „ihres“ Hauses
wissen, weil man sie sehen und erleben kann, werden eine hohe Bereitschaft
zur Identifikation aufbringen mit weitreichenden positiven Auswirkungen
auf das soziale Gefüge.
Der Entwurf
Der Entwurf arbeitet die architektonische Struktur des Bauwerks
heraus. Die vorgeschlagene Fassung der Fassade in einem starken,
sonoren Blau über einem glatten Isolierputz betont positiv
die Masse des Baukörpers, während das dazu kontrastierende
Weiß der Treppenhäuser die Komposition der Anlage verdeutlicht
und damit erfahrbar macht. Die mittleren Treppenhäuser eines
jeden Gebäudeteils werden zwischen ihrem Abschluß und
der Traufe durch ein hellgraues Feld bis an die Dachlinie herangeführt
und so optisch als Mittelrisalite betont. Es ergibt sich eine imaginäre
Dreierstrukturierung über der vierteiligen Anlage, die den
langen Gebäuderiegel verklammert, zusammenhält und rhythmisiert.
Die weißen Gesimsbänder gliedern die Fassade horizontal
in drei Zonen: Über dem Gebäudesockel folgen eine Basiszone,
eine Mittelzone sowie ein Mezzaningeschoß. Das Ornamentband
als Gebäudeschmuck schließt das Haus nach oben hin ab.
Dieses weiße Ornament auf blauen Untergrund leitet sich aus
dem Perforationsmuster der Treppenhauselemente ab. Um der Fassade
weitere Plastizität und damit Komplexität zu verleihen,
sind Fensterumrahmungen ebenfalls in Weiß eingefügt.
Der kräftige, auffällige, aber nicht aufdringliche Blau/
Weißkontrast akzentuiert die Riegelcharakteristik der Anlage,
er signalisiert Selbstbewußtsein und betont die natürlichen
Qualitätsressourcen des Bauwerks. Diese „Ist“-Situation
symbolisiert Stolz und gelassenes Selbstbewußtsein. Dadurch
entsteht ein großes Identifikationspotenzial für die
Be- und Anwohner.
Anregungen zu dem Blau/ Weiß-Konstrast fanden wir z.B. in
Gebäudeanstrichen in Helsinki und St. Petersburg. In Potsdam
könnte man u.a. die schon erwähnte Siedlung Am Schragen
anführen. Der Farbklang entfaltet im jahreszeitlichem Wechsel
unterschiedliche Wirkungen: Im Sommer evoziert er ein mediterranes
Anmutungsfeld (z.B. landestypische Farben Griechenlands), im Winter
strahlt er nordische Frische und Klarheit aus. Dieser Farbklang
wird durch die Einbeziehung der geplanten Fassadenbegrünung
an den Torbauten sowie an den Giebelseiten zu einem sublimen Farbakkord
erweitert. Wir schlagen für die Torbauten wilden Wein, für
die Giebelseiten eine Mischung aus wildem Wein und immergrünem
Efeu vor. Der Farbakkord wird im Laufe des jährlichen Vegetationszyklus´
über Blau-Weiß-Hellgrün zu einem gesättigten
Grün, dann Gelb und Rot wechseln und die Fassade mit diesem
reichen Farbenspiel immer wieder neu beleben.
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